Buch der Erinnerung
In Erinnerung an Else Elfriede Lange ...
Was man tief in seinem Herzen besitzt,
kann man durch den Tod nicht verlieren.
Johann Wolfgang von Goethe
Name: | Lange, Else Elfriede |
Geburtsname: | Dietrich |
Geboren am: | 15.11.1933 |
Gestorben am: | 28.11.2009 |
Gestorben in: | Stuttgart |
Trauerrede für Else Elfriede Lange am 4.12.2009 (gekürzte Fassung)
Liebe Angehörige,sie ist ihrem Tod langsam entgegengestorben. Es war sehr mühsam. Am Samstag aber gab es eine Zeit des Friedens, fast zu schön, um wirklich und wahr zu sein. Unglaublich! In dieser kleinen Zeit ist sie hinübergegangen wie durch eine offene Tür. Sie ist von ihrem Sterben erlöst. Sie hat es hinter sich gelassen. Sie hat zu atmen aufgehört, sie hat zu leiden aufgehört. In ihr Leben hat sich schon vor langer Zeit eine ungeheuerliche Kränkung eingeschlichen. Sie hat sie an sich zweifeln lassen, geängstigt, verstört, schließlich ihre Stimme zum Verstummen gebracht, mit der sie doch lange Jahre mit Ihnen im Gespräch und singend auch im Kirchenchor war. Sie konnte sich nicht mehr mitteilen. Sie konnte nicht mehr leben. Jetzt, liebe Familie, ist sogar das Stumme verhallt, und Schweigen breitet sich aus. Es ist eine andere Stille jetzt. Eine große, weite, schöne tiefe Stille, die ihr zu gönnen ist. Ich habe deshalb als Bibelvers gewählt: Psalm 62,2: Meine Seele ist stille zu Gott, der mir hilft.Stille ist ja nun nicht einfach da, wenn wir sie suchen. Sie entsteht nicht von selbst. Der Strand am Ferienort ist noch kein Ort der Stille, so wenig wie das Zimmer eines Pflegeheims oder eines Krankenzimmers. Wo die äußere Welt schweigt und der lärmende Alltag sich zurückzieht, setzen die inneren Stimmen ein, beginnt das Herz zu reden, zu fragen, da stehen Erinnerungen mit Macht auf, kommen abgebrochene Gespräche wieder hoch. Eine Stille, die nicht ängstigt und wirklich still ist, schließt immer etwas ein, das mehr ist als wir selbst: ein Gespäch mit einem Du. Meine Seele ist stille zu Gott, der mir hilft. Stellen wir uns vor, dass Ihre Ehefrau und Mutter in der Stille vor Gott endlich hört, was ihr den Frieden erklärt, dass sie sieht, was das alles soll und worauf es hinausläuft. Es ist still jetzt, weil ein neues Bild vor ihr steht: nicht mehr eines der Bedrohung und Vertreibung und Anstrengung, sondern ein tröstliches Bild, in dessen Betrachtung sie sich gern und neugierig versenkt. Sie hat alles gegeben. Sie hat nichts zurückbehalten. Darin war sie sich ganz einig mit Ihnen, lieber Herr Lange. Sie sind über fünfzig Jahre verheiratet gewesen, haben beide sehr viel gearbeitet, haben getanzt und sind gewandert, im Kirchenchor gesungen und mit der Gemeinde gereist, kurz: das gemeinsame Leben als eines bestritten. Sie haben sich 1953 ein Eheversprechen gegeben und Ihre Frau brauchte nie mehr zu sagen, sie sei allein. Sie haben ein Eheversprechen gegeben und es erfüllt. Ihre Ehe wurde mit zwei Kindern gesegnet, mit Schwiegersöhnen und Enkelkindern. Sie beide haben Leben weitergereicht. Das ist nicht nichts. Sie haben Faschismus und Kommunismus überlebt. Ihre Tapferkeit im Alltag hat die totalitären Systeme überdauert. Bitte versuchen Sie, liebe Hinterbliebene in die schöne Stille einzutreten, und seien Sie gewiss, dass Sie da nicht allein sind. Flüstern Sie miteinander die zarte Sprache der Erinnerung und trösten Sie sich mit der Gewissheit, dass Ihre Frau nichts mehr zu befürchten hat. Sie ist in Sicherheit. Treten Sie ein in den Raum der Stille mit Gott und ich bin überzeugt, dass Sie auch Zeichen hören, lesen oder ertasten werden, die Ihnen den Sinn all der Bedrängnisse erschließt, in die Sie geraten. Bitte vertrauen Sie dem Bildwort von der Stillung des Sturms: Gott lässt uns nicht untergehen. Meine Seele ist stille zu Gott, der mir hilft. Amen.